Engagement-fördernde Infrastrukturen für Bürgergenossenschaften

#Bürgergenossenschaften

Institut für Genossenschaftswesen e. V. /Humboldt-Universität zu Berlin, Dr. Marleen Thürling
innova eG, Dr. Kristina Bayer
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft e. V. (IDZ)

Projektlaufzeit:
Oktober 2022 – Mai 2023

Was wurde konkret gemacht?

Wir haben die Angaben von 209 Bürgergenossenschaften des ZiviZ-Surveys ausgewertet und darüber hinaus in sechs Fallregionen sowohl Genossenschaften als auch Einrichtungen der Engagementförderung interviewt und untersucht, wie sie zusammenarbeiten. Dabei lag der Fokus auf strukturschwachen ländlichen Räumen.

Was sind die drei spannendsten Ergebnisse?

  1. Bürgergenossenschaften und Einrichtungen der Engagementförderung arbeiten bislang selten zusammen. Nur knapp jede fünfte Genossenschaft gab an, Beratungsangebote oder andere Unterstützungsleistungen genutzt zu haben.
  2. Viele Bürgergenossenschaften übernehmen selbst häufiger Aufgaben der Engagementförderung, zum Beispiel bei der Vernetzung, Qualifizierung und Bereitstellung von Räumlichkeiten, sind aber nur selten in lokale Engagement-Netzwerke vor Ort eingebunden.
  3. Eine stärkere Vernetzung wäre sinnvoll, damit Genossenschaften besser von den niedrigschwelligen Angeboten der Engagementförderung profitieren (Ehrenamtscard, Projektfinanzierung, Qualifizierung) und gleichzeitig ihre unternehmerische Expertise und Netzwerke in die lokale Engagement-Infrastruktur einbringen könnten.

Welche Zahl ist brisant?

Genossenschaften sind wirtschaftlich tätige Unternehmen mit einem laufenden Geschäftsbetrieb. Dennoch arbeiten nur in der Hälfte der befragten Bürgergenossenschaften bezahlte Beschäftigte (51 %). Das heißt, in allen anderen Organisationen wird das Unternehmen komplett ehrenamtlich geführt.

Was kann die Politik aus den Erkenntnissen lernen?

Bürgergenossenschaften sind als Organisationsform noch viel zu wenig bekannt, sei es bei den kommunalen Verwaltungen, aber auch bei Einrichtungen der Engagementförderung. Für einen Wissenstransfer zwischen den Organisationen fehlen oft Kapazitäten. Netzwerke der Engagementförderung müssen gepflegt und finanziell ausgestattet werden, so dass Wissen und Kompetenzen gebündelt und Neugründungen erleichtert werden können.

Viele Förderprogramme im Bereich der Engagementförderung setzen die Gemeinnützigkeit voraus, die aber für viele gemeinwohlorientierte Unternehmen nicht in Frage kommt. Hier wäre es dringend geboten, Förderkriterien anzupassen und Programme auch für diese Organisationen zu öffnen.

Was kann die Wissenschaft lernen?

Genossenschaften sind in der Zivilgesellschaftsforschung bislang nur selten Gegenstand von Untersuchungen, dies ändert sich jedoch aktuell und das Interesse nimmt zu. Unternehmerisches Handeln mit zivilgesellschaftlicher Intention wird auch mit Blick auf gesellschaftliche Transformationsprozesse zunehmend von Bedeutung sein. Interessant ist dabei vor allem das neue Verhältnis zwischen Bürgerinnen, Bürgern und Staat. Hier kann durch Forschung noch mehr Wissen generiert werden.

Auch im Hinblick auf demokratiegefährdende Tendenzen sind Bürgergenossenschaften ein vielversprechender Ansatz, der unter diesem Blickwinkel noch viel zu wenig beforscht ist.

O-Ton der Studienleitung: Was war ein wichtiger „Aha-Moment“?

„Für viele Einrichtungen der Engagementförderung war das Thema Genossenschaften komplett neu, das Interesse aber groß, sich dazu zu informieren und Angebote für diese Zielgruppe anzupassen.“

Wie geht es weiter?

Die Ergebnisse der Untersuchung wurden mit Praktikerinnen und Praktikern aus Kommunen, Verwaltung und Zivilgesellschaft im Rahmen der Tagung „Mit Bürgergenossenschaften den ländlichen Raum entwickeln“ diskutiert. Im Herbst ist ein Webinar für Akteure der Engagementförderung geplant, mit Unterstützung der DSEE.

Wo gibt es weitere Informationen?

Hier geht es zum Studienbericht (Langform).
Hier geht es zum Studienbericht (Kurzform).

  • Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze), Prof. Dr. Thomas Klie,
    in Kooperation mit dem Institut für Demoskopie Allensbach

  • Juli 2021 – Dezember 2021 (Vorstudie), Oktober 2022 – November 2023 (Hauptstudie)

  • Aktuelles

    Am 31.05.2023 um 11 Uhr werden die Ergebnisse der aktuellen Bevölkerungsbefragung zur Demokratischen Integration in Deutschland vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen, wie zufrieden die Bevölkerung mit der Demokratie ist, inwiefern sie den demokratischen Institutionen vertrauen und welchen Einfluss freiwilliges Engagement darauf hat.

    Zur Anmeldung geht’s hier entlang.

  • Mit dem Monitoring Demokratische Integration werden die Einstellungen zur Demokratie und Verhaltensweisen der Bevölkerung längerfristig beobachtet, um frühzeitig strukturpolitische Maßnahmen zur Förderung von Engagement und demokratischem Verhalten entwickeln zu können. Dabei wird herausgestellt, welche Bedeutung Strukturmerkmale von Regionen für das Engagementniveau der Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wahlbeteiligung haben.

    Die Demokratische Integration beschreibt ein Bündel zusammenhängender Haltungen, wie grundsätzliche Einstellungen zur Demokratie, zum politischen System in Deutschland oder zu Amtsträgerinnen bzw. Amtsträgern sowie Verhaltensweisen, wie insbesondere die demokratische Partizipation durch freiwilliges Engagement und die Wahlbeteiligung. Das Konzept der Demokratischen Integration wurde von Prof. Dr. Thomas Klie und Prof. Dr. Baldo Blinkert (†) entwickelt.

    Im Jahr 2021 wurde eine Vorstudie zum Monitoring 2.0. durchgeführt, um das Konzept “Demokratische Integration” weiterzuentwickeln. Konkret wurde der Zusammenhang von Einstellungen der Bevölkerung zur Demokratie und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt mit über Sekundärdaten vorliegenden Informationen zum Verhalten der Bevölkerung in Regionen untersucht. Weiterhin wurde die Datengrundlage für die Strukturbedingungen von Regionen erweitert und aktualisiert.
    Hier geht’s zum Bericht zur Vorstudie.

    Die Hauptstudie liefert nun aktuelle Ergebnisse zu Indikatoren der demokratischen Integration in Bezug zu regionalen Strukturmerkmalen. Hierbei werden die vergangenen und aktuellen Krisenerfahrungen der Bevölkerung berücksichtigt. Um die positiven Zusammenhänge zwischen Demokratievertrauen und Partizipation (Engagement, Wahlverhalten) zu prüfen, wurde vom Institut für Demoskopie Allensbach eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durchgeführt. Die Untersuchung thematisiert u. a. die aktuellen Sorgen der Menschen, die Zufriedenheit mit der Demokratie, das Vertrauen in diese und die demokratische Partizipation (freiwilliges Engagement und Ehrenamt, Wahlverhalten). Ebenfalls werden Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland herausgestellt.
    Im nächsten Schritt werden nun die für das Monitoring wichtigen Zusammenhänge zu den Strukturmerkmalen von Regionen berechnet. Eine Ergebnisvorstellung sowie die Veröffentlichung des abschließenden Berichts sind für den Herbst 2023 geplant.

  • Hier ist der Bericht zur Vorstudie.

    Hier findet Ihr das Online-Seminar #EngagiertGeforscht und die Präsentation.

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  • Personen/Beteiligte Organisationen:

    Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze)

    Prof. Dr. Thomas Klie

    in Kooperation mit dem Institut für Demoskopie Allensbach

  • Projektlaufzeit:

    Juli 2021 – Dezember 2021 (Vorstudie), Oktober 2022 – November 2023 (Hauptstudie)

  • Was haben Sie konkret untersucht?

    Wir haben gefragt, wie die Kommunen in Brandenburg Engagement unterstützen. Die Ergebnisse haben wir mit dem tatsächlichen Bedarf der Engagierten verglichen. Und wir haben untersucht, ob die Angebote damit zusammenhängen, wie sich das Engagement (aus Sicht der Engagierten) vor Ort entwickelt hat.

  • Was sind die drei spannendsten Ergebnisse?

    • Wenn eine Kommune viel fürs Ehrenamt tut, entwickelt sich das Engagement deutlich besser. Kommunalpolitik kann also viel bewirken.
    • Was die Engagierten an Unterstützung brauchen, passt noch nicht optimal zu dem, was die Kommunen anbieten, z.B. wird Kinderbetreuung im Engagement zehnmal häufiger nachgefragt als angeboten.
    • Die Befragten aus den Vereinen und Initiativen schätzen den Status Quo der Unterstützung deutlich anders ein als die kommunalen Befragten. Es gibt ein Kommunikationsproblem.
  • Welche Zahl ist brisant?

    Welche Zahl ist brisant?
    Nur 27 % der Engagierten vertrauen der Kommunalpolitik – da gibt es noch viel zu tun!

  • Was …

    •  … kann die Politik aus den Erkenntnissen lernen?
      Gerade in Brandenburg hinken wir beim Engagement hinter anderen Bundesländern hinterher. Die Studie zeigt: Engagement lässt sich wirkungsvoll beeinflussen, wenn es Unterstützung gibt. Deshalb sollte die Landespolitik baldmöglichst einen Masterplan zur Engagementförderung auf den Weg bringen. Sie sollte die Qualifizierung der Engagierten mehr unterstützen, etwa mit einer Engagement-Akademie. Sie kann auch den Kommunen helfen, eigene lokale Strategien zu entwickeln – z.B. durch mehr Beratung.
    • … können Engagementfördernde Organisationen lernen?
      Das Angebot der Engagementfördernden Organisationen kommt im Flächenland Brandenburg bislang noch nicht ausreichend in den kleinen Gemeinden an. Es ist sehr zersplittert. Die Mitarbeitenden geben ihr Bestes! Gut wäre es, wenn sie die Interessen der Engagierten gegenüber der lokalen Politik und Verwaltung noch vehementer zur Geltung bringen würden. Und sie sollten die junge Generation stärker ansprechen und zur Mitwirkung und Mitentscheidung einladen.
    • … kann die Wissenschaft lernen?
      Die Studie hat u.a. weiteren Forschungsbedarf zur Infrastruktur des Ehrenamts offengelegt. So ist wenig dazu bekannt, was die Mitarbeitenden in der Engagementunterstützung von Kommunen oder Engagementfördernden Einrichtungen konkret tun. Genauere Erkenntnisse über die Gelingensbedingungen von Engagementförderung könnten auch Good Practice Studien bringen.
  • Ein “Aha-Moment”

    „Viele Engagierte arbeiten am Limit ihrer Kräfte. Es ist beeindruckend, dass die meisten trotz widriger Bedingungen weitermachen wollen.“
    (XX, Studienleitung

  • Wie geht es weiter?

    Das Medienecho auf die Studienvorstellung war sehr breit und ausführlich. Vielleicht fühlen sich einige Verantwortliche in Landes- und Kommunalpolitik angeregt, mehr Aufmerksamkeit auf die strategische Planung von Engagementförderung zu richten. Die Studie liefert ja konkrete Hinweise, welche Maßnahmen von den Engagierten mehr und welche weniger nachgefragt werden. Besonders ermutigend ist es, dass der Studienbericht in den ersten vier Wochen schon über 700-mal downgeloaded wurde – das Interesse an unserem Thema scheint also groß zu sein. Deshalb haben wir angeboten, die Methodik und Ergebnisse der Studie auch den anderen Bundesländern vorzustellen.

Grafik mit dem Text: #DSEE mit Institut für Genossenschaftswesen e. V. / HU Berlin; innova eG; Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft e. V. (IDZ) Engagement-fördernde Infrastrukturen für Bürgergenossenschaften. Studienbericht -> Hier geht es zum Inhalt

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Dr. Vivian Schachler
Forschung und Wissenstransfer

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