Haftungsfragen im Falle einer Corona-Infizierung im Verein

Welche Verantwortung tragen Vereine für ihre Mitarbeiter und Ehrenamtlichen in der Corona-Pandemie?

Als die ZiviZ gGmbH im Rahmen ihres Engagementbarometers Führungskräfte der Zivilgesellschaft zur Situation von Vereinen in der Pandemie befragte, gab ein überwiegender Teil der Führungskräfte an, dass die Coronakrise sie vor sehr hohe Anforderungen stellt. Diese Aussage zeigt, wie stark die Corona-Pandemie den Alltag der Vereine beeinflusst.

Doch wenn sich hauptamtliche Mitarbeiter, Ehrenamtliche oder Dritte infizieren: Kann eine Haftung des Vereins in Betracht kommen?

Die SARS-CoV-2-Infektion und die damit hervorgerufene Covid-19-Erkrankungen verlaufen sehr unterschiedlich. Nach den aktuellen Informationen des Robert-Koch-Institutes werden 10 Prozent der in Deutschland übermittelten Fälle hospitalisiert und davon circa 14 Prozent intensivmedizinisch behandelt. Derzeit ist nicht absehbar, ob und bei wie vielen auch mild verlaufenen Infektionen Langzeitfolgen entstehen können. Schadenspositionen können Behandlungskosten über Einkommens- und Erwerbsverluste bis hin zu Beerdigungs- und Unterhaltskosten im Falles eines Todes umfassen. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob und welche Schäden in welcher Höhe vorliegen.

  1. Pflichten gegenüber hauptamtlichen Mitarbeiter:innen
    Gegenüber den Mitarbeiter:innen obliegt dem Verein als Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht. Nach § 618 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
    In Hinblick auf die Corona-Pandemie sind in der SARS-CoV-2- Arbeitschutzverordnung Maßnahmen geregelt, um den Gesundheitsschutz der Beschäftigten während der Pandemie zu gewährleisten. Die bekanntesten sind die so genannten AHAL – Maßnahmen (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken, Lüften). Je nach Einsatz der MitarbeiterInnen sind auch Schutzmaßnahmen wie beispielsweise Trennscheiben erforderlich oder das strikte Zuhausebleiben kranker MitarbeiterInnen. Zusammen mit dem SARS- CoV-2-Arbeitsschutzstandard und der konkretisierenden Arbeitsschutzregel zeigen diese Regelungen die öffentlich-rechtlichen Schutzmaßnahmen zur Ausgestaltung des Arbeitsplatzes auf. Selbst wenn diese Arbeitsschutzstandards nur Hilfe und dringende Empfehlungen darstellen, so ist zu erwarten, dass sie bei der Beurteilung, ob ein Arbeitgeber seine arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern erfüllt und den Betrieb von Ansteckungsgefahren freigehalten hat, maßgebliche Kriterien darstellen werden.
  2. Pflichten gegenüber Dritten und ehrenamtlich Tätigen
    Im Rahmen der vorgeschriebenen Corona Schutzmaßnahmen ist ein Verein zudem über die allgemeine Haftungsnorm des § 823 BGB gegenüber jedermann aus Gründen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht angehalten, den Vereinsbetrieb vor Infektionsgefahren zu bewahren. Eine Haftung könnte durch das vom Bundesgerichtshof entwickelte so genannte „Organisationsverschulden“ in Frage kommen. Der Kopf eines Unternehmens oder der Vorstand eines Vereins sind „Beschützergaranten“ für Dritte und deren Rechtsgüter. Dritte sind neben den genannten Mitarbeiter:innen auch ehrenamtlich Tätige. Was heißt in diesem Fall „Beschützergarant“? Der Vorstand des Vereins hat hiernach darauf hinzuwirken, dass durch eine geeignete Organisation Dritte geschützt werden. Insoweit kann es auch hier haftungsrechtlich bedeutsam sein, dass innerhalb der Vereine ausdrücklich angeordnet und durch Aushang oder in geeigneter Form veröffentlicht wird, dass vor der Infektion schützende Maßnahmen zu befolgen sind.Werden keine Schutzmaßnahmen trotz möglicher Gefährdung von Mitarbeitern, Ehrenamtlichen und dritten Personen vorgenommen, liegt eine Pflichtverletzung entweder der Fürsorgepflicht oder der Verantwortung als Beschützergarant vor.

Infolge der vorliegenden Pflichtverletzung müsste der eingetretene Schaden entstanden sein.

Grundsätzlich muss die/der Geschädigte nachweisen, dass die Verletzungshandlung bzw. Pflichtverletzung ursächlich für diesen Schaden war. Diskutiert wird aktuell, ob Beweiserleichterungen des Bundesarbeitsgerichtes für ArbeitnehmerInnen auf diesen Fall Anwendung finden. Würden diese Erleichterungen Anwendung finden, muss die/der ArbeitnehmerIn lediglich darlegen und beweisen, dass ihr/ihm ein entsprechender Schaden entstanden ist und dass ein ordnungswidriger Zustand bestand, der generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden herbeizuführen, um einen Anspruch gegen die/den ArbeitgeberIn geltend zu machen. Anders als in den bisherigen entschiedenen Fällen des Bundesarbeitsgerichts ist eine Ansteckung derzeit überall – und damit nicht nur innerhalb des Arbeitsplatzes – möglich. Bis zur rechtlichen Klärung empfiehlt sich eine umsichtige Handhabung des Vereins mit Blick auf die aktuellen Infektionsschutzmaßnahmen.

In Hinblick auf die weiteren Arbeitsschutzmaßnahmen in der Pandemie veröffentlicht das Bundesministerium für Arbeit die aktuellen zusätzlichen Arbeitsschutzregeln: die SARS-CoV-2-Arbeitschutzverordnung zusammen mit dem SARS-CoV-2- Arbeitsschutzstandard und der konkretisierenden Arbeitsschutzregel. Diese gewährleisten den Gesundheitsschutz der Beschäftigten während der Pandemie. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) und weitere Informationen zu verschiedenen Tätigkeiten und Maßnahmen des betrieblichen Arbeitsschutzes erarbeitet und zusammengestellt.

Es gibt Konstellationen, in denen ein Durchgriff des Vereins auf den Vorstand in Frage kommen kann, da dieser beispielsweise ein mangelhafte Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen verantwortet. Das Gesetz sieht in § 31a Absatz 1 BGB bei unentgeltlich tätigen Organmitglieder oder solchen, die nicht mehr als 840 Euro jährlich erhalten, eine Haftung gegenüber dem Verein nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit vor. Dies gilt auch für die Haftung gegenüber den – ehrenamtlich tätigen – Mitgliedern des Vereins, nicht jedoch gegenüber Dritten. Gegenüber Dritten erfolgt in § 31a Absatz 2 BGB eine Haftungsfreistellung der Vorstandsmitglieder durch den Verein, wenn diese zum Ersatz eines Schadens verpflichtet sind, den sie bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursacht haben.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung lehnt derzeit im Falle von Covid-19 Infektionen die Einstandspflicht und die Anerkennung als Berufskrankheit in der Regel ab. Nach der Einstufung von Corona als Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwirkliche sich durch die Infektion eine allgemeine Gefahr, kein arbeitsspezifisches Risiko. Ausnahmsweise steht die Unfallversicherung ein, soweit es Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium betrifft oder falls die betroffene Person durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt ist. Ob diese auch in weiteren Fällen einstehen muss, wird sich erst in der Folge gerichtlicher Auseinandersetzungen zeigen. Liegt ein Arbeitsunfall in den Ausnahmefällen vor, ist nach § 104 Absatz 1 des siebten Sozialgesetzbuches die Haftung des Vereins ausgeschlossen.

Liegt kein Arbeitsunfall vor und könnte eine Verletzung der Fürsorgepflicht, ein Überwachungs- oder Organisationsverschulden vorliegen, kann neben dem Verein eine persönliche Haftung des Vorstands in Frage stehen. Bei Überwachungs- und Organisationsverschulden kommt klassischerweise zur Absicherung eine D&O-Versicherung (Directors & Officers-Versicherung oder Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung) in Betracht. Hier ist zu prüfen, ob der jeweilige Vertrag einen Versicherungsausschluss bei einem Infektionsrisiko enthält.

D&O-Versicherungen werden im Fall des vorsätzlichen Handelns nicht greifen. Konnte das handelnde Vorstandsmitglied bei seiner Entscheidung vernünftigerweise annehmen, dass es auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle des Vereins handeln durfte (Business Judgement Rule), sehen einige Versicherungen für diesen Fall eine Ausnahme vor und stehen für diesen Fall ein.

Die durch die gesetzliche Regelung in § 31a Absatz 2 BGB erfolgte Haftungsfreistellung der Vorstandsmitglieder, wenn diese Dritten zum Ersatz eines Schadens verpflichtet sind, führt dazu, dass der Verein diesen Schaden trägt. Diese Haftungsfreistellung kann für den Verein über eine Freistellungsklausel (eine sog. „Company Reimbursement Klausel“) einer D&O-Versicherung aufgefangen werden.

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